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Ich möchte mich gern intensiver an Teamgesprächen beteiligen, aber ich brauche länger, um meine Gedanken auf Deutsch zu formulieren. Wie kann ich mich dennoch aktiver einbringen?
Wieso verhält sich mein Chef hier in Deutschland viel reservierter als bei einem Geschäftsbesuch in meinem Heimatland?Diese und viele weitere Fragen beschäftigen die Teilnehmer meines Workshops ‚What makes the Germans tick?‘, den der TÜV Rheinland seinen internationalen Mitarbeitern anbietet, um sich schnell zu orientieren und einzuleben am neuen Arbeitsplatz in Köln. Die WorkshopteilnehmerInnen aus Indien, China und Brasilien wollen verstehen, wie ihre Kollegen und Vorgesetzten ‚ticken‘ und gleichzeitig erfahren, was sie selbst tun können, damit Kommunikation und Zusammenarbeit noch besser funktionieren.
Im laufe des interaktiven Workshops erkennen alle Teilnehmer, wie sehr sich ihre Art zu kommunizieren voneinander unterscheidet und wie sich diese Unterschiede bemerkbar machen in der Kommunikation mit ihren deutschen Kollegen. In lebhafter Diskussion entwickeln sie Ideen, wie sie sich auf die Gepflogenheiten im Unternehmen einstellen und wie sie in konkreten Situationen mit ihrem Vorgesetzten oder innerhalb des Teams neue Optionen erproben können.
Ein weiteres Thema ist das Rollenverständnis von Führungskräften im Unternehmen, das – wie sich herausstellt – sehr stark von der jeweiligen Persönlichkeit geprägt wird. Allen Führungskräften gemeinsam scheint jedoch ihre klare Aufgaben- und Ergebnisorientierung zu sein. Aber wie umgehen mit dem kritischen Feedback des Chefs? Hier kann ich ein wenig Licht ins Dunkel bringen: Im beruflichen Alltag sind deutsche Mitarbeiter an direktes Feedback in Bezug auf ihre Leistung gewöhnt, und viele verstehen kritisches Feedback als Anregung, sich weiter zu entwickeln. Die deutschen Kollegen haben von klein auf gelernt, sachbezogene Kritik von Kritik an ihrer Person zu trennen. Die TeilnehmerInnen des Workshops reagieren überrascht auf diese Erklärung, denn für die meisten von ihnen bedeutet Kritik an ihrer Arbeit immer auch unmittelbar Kritik an ihrer Person und resultiert in sehr emotionalen Reaktionen. Umgekehrt widerstrebt es ihnen, direktes Feedback auszusprechen, da es einhergeht mit einer Kränkung der jeweiligen Person.
Aus meiner Erfahrung ist es für viele Menschen mit anderer kultureller Prägung daher eine große Herausforderung, mit dieser direkten Feedbackkultur umzugehen. Meinen WorkshopteilnehmerInnen geht es ebenso, und sie sind dankbar für meine Erläuterungen, die ihnen ein rationales Verstehen ermöglichen. Diese Art der Bewusstseinsbildung und des Verstehens in interkulturellen Begegnungen ermöglicht bereits eine Veränderung im Umgang miteinander und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg respektvollen Beziehungen.
Ausgehend von dieser Erfahrung wünschen sich meine TeilnehmerInnen, dass ihre Kollegen und Vorgesetzten ihrerseits ein stärkeres Bewusstsein entwickeln für die vielfältigen Facetten, die sich in interkultureller Zusammenarbeit ergeben und dann beide Seiten besser aufeinander zugehen können.
Am Ende bestätigen alle TeilnehmerInnen, dass sie einen großen Erkenntnisgewinn aus dem Workshop mitnehmen und insbesondere auf ihre Zuverlässigkeit und strukturiertes, selbständiges Arbeiten achten wollen, um Vertrauen in ihre Kompetenz und Leistungsbereitschaft aufzubauen. Und sie wollen versuchen zu lernen, Feedback anzunehmen.
Ich wünsche allen eine erfolgreiche und glückliche Zeit in unserem Land.
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